"Keine Likes für Tierleid!"
Süße Katzen, verkleidete Hunde oder Löwen auf der Jagd: Das Internet ist voll von Tierinhalte aller Art. Sie kursieren vor allem in sozialen Netzwerken wie TikTok, Instagram und Facebook. Doch nicht alle Fotos und Videos sind harmlos. Wo hört der Spaß auf? Wobei handelt es sich um eine Darstellung von Tierleid? Und wie sollten wir als Nutzer:innen damit umgehen? Wir haben mit Wiebke Plasse, einer Mitarbeiterin der Welttierschutzgesellschaft, über ihre aktuelle Tierschutz-Kampagne "#StopptTierleid in sozialen Netzwerken" gesprochen
Hallo Wiebke, worum geht es bei Eurer Kampagne?
Hallo und danke erstmal, dass Ihr Euch diesem Thema widmet. Wir wollen im Rahmen der Kampagne "Stoppt Tierleid in sozialen Netzwerken" ein Verbot der Darstellung von Tierleid-Inhalten in sozialen Netzwerken erreichen. Bisher sind zwar Taten, die Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, nach dem Tierschutzgesetz §17 verboten. Die Darstellung dessen – ganz gleich wie verherrlichend oder verharmlosend sie auch sein mag – ist aber uneingeschränkt möglich. Es gibt dazu keine gesetzliche Grundlage und somit auch kaum Handeln von Seiten der Netzwerke. Die Folge ist, dass sich Tierleid in unterschiedlicher Form in den sozialen Netzwerken darstellen und unter Millionen Nutzer:innen verbreiten kann. Nach Ansicht der Welttierschutzgesellschaft ist das eine große Gefahr – nicht nur für den Tierschutz.
Was sind das für Videos in den sozialen Netzwerken, die Euch dazu veranlasst haben, die Kampagne ins Leben zu rufen?
Es sind Videos und Fotos ganz unterschiedlicher Art – von grausamen Gewalttaten gegenüber Tieren wie Misshandlungen über inszenierte Rettungen, für die Tiere erst in Gefahrensituationen gebracht werden, bis hin zu der Darstellung von Wildtieren in Haustierhaltung oder im Rahmen von vermeintlich lustigen Challenges. Wir haben für uns drei Formen definiert, die die Summe der Inhalte gut zusammenfassen: Inhalte eindeutigen Tierleids, des Tierleid-Verdachtes und des respektlosen Umgangs. Alle sind auf ihre Art problematisch. Wir haben deshalb konkrete Handlungsempfehlungen für die Netzwerke, die Politik aber auch Nutzer:innen, die Inhalte dieser Art sehen, gestaltet. Auf unserer Website gibt es dazu einen umfangreichen Leitfaden.
Warum veröffentlichen bzw. teilen Leute diese grausamen Inhalte?
Das kann sehr unterschiedliche Gründen haben. Aus dem Blickwinkel der Soziologie wissen wir, dass es zum Beispiel durch einen Geltungsdrang zu erklären ist, insbesondere, wenn besonders grausame Inhalte erstellt und verbreitet werden – die Menschen zielen also ganz bewusst darauf ab, mit ihren Inhalten Aufsehen zu erregen. Dahinter kann aber auch ein finanzieller Grund stecken, was heißt, dass die Erstellenden mit ihren Social-Media-Profilen und somit jedem Klick Geld verdienen – je brisanter ihre Inhalte also sind, desto höher auch die Reichweite und somit der Verdienst. Vielfach beobachten wir aber auch, dass die Erstellenden aus Unwissenheit handeln. Sie sind sich also gar nicht bewusst, dass sie Tierleid erzeugen und/oder darstellen.
Neben offensichtlich grausamen Videos, in denen Tiere gequält oder sogar getötet werden, gibt es ja auch noch viele andere Videos von Tieren: z.B. von Hunden, die ihr Herrchen oder Frauchen freudig am Bahnhof begrüßen, Katzen, die sich vor Gurken erschrecken oder verkleideten Tieren: Wo ist die Grenze zwischen harmlosen Tiervideos und denen, die nicht mehr ok sind?
Die Beurteilung ist oft leider in der Tat sehr schwierig, da wir auch nur anhand kurzer Sequenzen oder statischer Bilder auf die Inhalte schauen können. Oft bleibt dabei der Kontext unklar und so können wir dann nicht abschließend beurteilen, ob es sich tatsächlich um Tierleid handelt, das dargestellt wird oder nur eine harmlose Momentaufnahme. Dies sind dann oft die eben genannten Inhalte des Tierleid-Verdachts oder des respektlosen Umgangs. Wir entscheiden hier je nach Fülle der bedenklichen Faktoren "im Zweifel für das Tier" und finden, dass entweder von Seiten der Erstellenden noch ein Kontext erbracht werden muss – oder der Inhalt im Sinne des Tierschutzes in den Netzwerken nichts zu suchen haben sollte. Um die Beispiele aus deiner Frage aufzugreifen: Freudige Begrüßungen klingen absolut unbedenklich. Katzen, die sich vor Gurken erschrecken, sind per se zwar auch kein Tierleid, können aber bei wiederkehrendem Handeln Ängste beim Tier auslösen, was dann wiederum tierschutzrelevant ist. Zudem sehen wir von vermeintlich unterhaltsamen Inhalten dieser Art die Gefahr ausgehen, dass andere Nutzer:innen die Aktion nachahmen – und dann das Dargestellte steigern. Das mündet, so müssen wir es leider oft erleben, dann in Tierleid.
Wie sollten Nutzer:innen sozialer Netzwerke reagieren, wenn sie Videos entdecken, in denen Tierleid gezeigt wird? Und wie können sie Euch beim Schutz der Tiere unterstützen?
Unsere Devise lautet: Keine Likes für Tierleid. Das heißt: Jede Reaktion ist unbedingt zu verhindern – auch Negativkommentare, denn auch die pushen den Algorithmus und verschaffen den Beiträgen letztlich mehr Reichweite. Stattdessen empfehlen wir konsequentes Melden. Dann sind die Moderator:innen-Teams der Netzwerke angehalten, die Inhalte zu löschen. Gleichwohl wissen wir, dass Tierleid nicht immer leicht zu erkennen ist. Wir wünschen uns deshalb von Seiten der Nutzer:innen einmal mehr nicht zu reagieren – im Zweifel fürs Tier. Gern kann man uns auch fragwürdige Inhalte schicken und wir helfen bei der Einordnung, z.B. per Mail an stoppttierleid@welttierschutz.org oder direkt über die sozialen Netzwerke, z.B. bei Instagram @stoppttierleid.
Was fordert Ihr von den Betreibern der sozialen Netzwerke wie Instagram oder TikTok?
Wir fordern eindringlich, dass sich die Netzwerke ihrer Verantwortung bewusstwerden und endlich konsequent gegen Tierleid-Inhalte vorgehen. Dafür müssen sie ihre Gemeinschaftsstandards, zu deren Einhaltung sich alle Nutzerinnen und Nutzer verpflichten, umfassend um das Thema Tierleid ergänzt werden – darauf basierend muss dann die Einhaltung sichergestellt werden. Geschieht dies nicht, sollten sie rechtlich dazu verpflichtet werden. Auch hier sind wir von der Welttierschutzgesellschaft im Rahmen der Kampagne aktiv und fordern ein gesetzlich verankertes Verbot der verharmlosenden oder verherrlichenden Darstellung von Gewalttätigkeiten gegenüber Tieren. Wer mag, kann unserer Forderung mit einer Petitions-Unterschrift Kraft verleihen.
Wir sind sehr dankbar für jede einzelne Person, die fortan mit offenen Augen und Herz für Tiere durch die Netzwerke scrollt – #StopptTierleid.
Vielen Dank für das Interview!
Immer wieder betonen wir, wie wichtig ein respektvolles Miteinander im Internet ist, dass dort kein Platz für Hass, Gewalt und Mobbing ist. Das gilt in erster Linie für Menschen, sollte aber auch mit Blick auf Tiere selbstverständlich sein.Respekt im Netz – auch für Tiere!
Alle weiteren Informationen zu der Kampagne #StopptTierleid gibt es hier.
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