Sexuelle Belästigung im Internet

Triggerwarnung:
In diesem Ratgeber geht es um sexuelle Belästigung und und sexuellen Missbrauch. Das Thema kann für Betroffene belastend und retraumatisierend sein. Überlege Dir also, ob Du diesen Text lesen willst und Dich dazu in der Lage fühlst. Mehr Infos zum Thema Triggerwarnung gibt es hier:

Info Triggerwarnung

 

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Jeans und ein T-Shirt ...
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So ein Chatverlauf ist typisch für sexuelle Belästigung im Internet. Vor allem Mädchen werden von Fremden oft mit solchen Fragen konfrontiert – in vielen Fällen schon ein paar Sekunden nach der Kontaktaufnahme.

Im Netz gibt es verschiedene Formen von sexueller Belästigung im Internet. Wir zeigen Dir, was man darunter versteht und wie Du sexuelle Übergriffe erkennst. Außerdem geben wir Dir Tipps, wie Du Dich schützen kannst.

Was ist sexuelle Belästigung im Internet?

Definition

Sexuelle Gewalt im Netz umfasst verschiedene Formen sexueller Belästigung. Gemeint sind u.a. Gespräche und Handlungen (in Chats und Videochats), die ungefragt und gegen den Willen eines anderen Menschen stattfinden. Sie verletzen das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen, überschreiten Grenzen und sind übergriffig. Es handelt sich bei den Taten außerdem oft um einen Machtmissbrauch, insbesondere dann, wenn Erwachsene Kontakt zu Minderjährigen aufnehmen (Cybergrooming).

Verschiedene Formen sexueller Belästigung

⚠️ Konkret zeigt sich sexuelle Belästigung zum Beispiel, wenn jemand ungefragt bzw. ohne Dein Einverständnis …

  • anzügliche Bemerkungen macht,
  • mit Dir über sexuelle Themen spricht, z.B. von seinen/ihren Vorlieben und Wünschen erzählt oder nach Deinen sexuellen Erfahrungen fragt,
  • Nacktaufnahmen (z.B. Dickpics) von sich verschickt,
  • Nacktaufnahmen von Dir haben möchte und Dich dann möglicherweise damit erpresst (Sextortion),
  • ungewollt (gewaltvolle) Pornos an andere versendet,
  • Dich zu sexuellen Handlungen (vor der Kamera) auffordert oder
  • heimlich Fotos von Deinem Intimbereich macht und diese dann ins Netz stellt (Upskirting oder Downblousing).

💡 Ziel sexueller Belästigung im Netz ist es, Macht auszuüben und das eigene Bedürfnis nach Sexualität zu stillen.

Beipspielhafte Beratungsanfragen

Sexuelle Gewalt im Netz hat viele Gesichter. Wir zeigen Dir einige beispielhafte Anfragen, die so ähnlich in unserer Online-Beratung angekommen sind.

  1. „Hallo, mir hat vor Kurzem irgend so ein Typ, mit dem ich ein bisschen bei Snapchat geschrieben habe, einfach so ein Dickpic geschickt. Ich habe ihn nicht darum gebeten und hab mich echt erschreckt, als ich das Foto gesehen habe. Kann er das einfach so machen? Und soll ich ihn darauf ansprechen, dass ich das nicht gut finde?“ 👉 Mehr über Dickpics.
     
  2. „Hey, ich habe damals für meinen Ex Nacktfotos von mir gemacht, die er jetzt an andere verschickt hat. Ich habe ihn aufgefordert, die Bilder zu löschen, aber er macht das nicht. Was soll ich jetzt tun?“ 👉 Mehr über Sexting.
     
  3. „Hi! Heute hat mir jemand bei TikTok geschrieben und mir Komplimente zu meinen Videos gemacht. Das war zuerst sehr nett. Dann hat er mich aber gefragt, wie alt ich bin und ob meine Eltern da sind. Ich hab ihn gefragt, warum er das wissen will. Darauf hat er nicht richtig geantwortet und wollte stattdessen wissen, was ich anhabe. Ich fand das echt komisch. Er hat dann immer weiter nachgehakt, wollte wissen, was ich für eine BH-Größe habe und ob ich schon mal Sex hatte. Soll ich den Kontakt besser abbrechen?“ 👉 Mehr über Cybergrooming.
     
  4. „Hallo, heute hat mir jemand über WhatsApp einen Porno weitergeleitet. Das, was da gezeigt wird, ist ziemlich krass und auch ganz schön gewalttätig. Jetzt frage ich mich, ob es überhaupt okay ist, dass sowas verschickt wird. Ich meine, ich kann damit noch ganz gut umgehen, habe aber gehört, dass auch schon Jüngere aus unserer Schule das Video bekommen haben. Kann ich da irgendwas tun?“ 👉 Mehr über Gewaltvideos.
     
  5. Hi, ich habe bei Instagram eine Frau kennengelernt, mit der ich mich richtig gut verstanden habe. Dann wurde es irgendwann intimer und sie hat mir Nacktbilder von sich geschickt und gefragt, ob sie auch eins von mir haben kann ... Ich hab nicht groß nachgedacht und ihr eins geschickt. Plötzlich hat sie geschrieben, dass ich ihr bis Samstag 1.000 Euro überweisen soll. Und wenn ich das nicht mache, würde sie das Foto an alle meine Follower schicken. Ich habe jetzt total Angst, dass sie das echt macht. Könnt ihr mir helfen? 👉 Mehr über Sextortion.

Mehr beispielhafte Beratungsanfragen findest Du hier.

Hast auch Du eine Frage? Dann melde Dich bei unseren Scouts. Sie helfen Dir vertraulich und kostenlos.

Zur Beratung

Wusstest Du ...?

Emojis als Symbole für Geschlechtsteile und sexuelle Handlungen

In Chats werden oft Emojis verwendet, die auf den ersten Blick harmlos wirken: Gemüse und Obst. Sie stehen jedoch symbolisch für männliche oder weibliche Geschlechtsteile oder sexuelle Handlungen. Am häufigsten werden diese Symbole genutzt:

  • 🍆🌽 🍌 Die Aubergine, der Maiskolben und die Banane stehen für den Penis.
  • 🍯 🍩 Honigtopf und Donut stehen für die Vulva.
  • 🍑 Der Pfirsich steht für den weiblichen Po.
  • 🍒 Die Kirschen stehen für die weiblichen Brüste.
  • 💦 Die Wassertropfen stehen für den männlichen Samenerguss oder das „Feuchtwerden“ der Frau.

Eine ausführliche Liste der Sex-Emojis findest Du hier.

Unterscheidung: sexuelle Belästigung online und offline

Sexuelle Belästigungen finden sowohl offline als auch online statt. In beiden Fällen ist klar, dass sexuelle Übergriffe ein No-Go sind und deshalb auch in vielen Fällen auch strafbar sind, insbesondere dann, wenn Minderjährige, also Kinder und Jugendliche betroffen sind.

Das sind Unterschiede:

  • Der erste offensichtliche Unterschied ist, dass im Netz keine Berührungen, wie das Angrabschen des Pos oder des Intimbereichs, stattfinden können.
  • Dafür gibt es bei sexueller Belästigung im Internet so gut wie keine gesellschaftliche Kontrolle oder Überwachung. Das wird an einem Beispiel besonders deutlich:
    Würde ein erwachsener Mann im realen Leben auf der Straße ein junges Mädchen ansprechen und anzügliche Bemerkungen über ihr Aussehen machen, es vielleicht sogar begrabschen, würde das sicher auffallen. Im besten Fall würde dem Mädchen jemand zu Hilfe kommen. 
    In privaten Chats können sexuelle Übergriffe dagegen völlig unbeobachtet stattfinden. Wird jemand im Internet sexuell belästigt, bekommt das in den meisten Fällen also niemand mit – außer es handelt sich um öffentliche Kommentare. Die Täter können udem anonym agieren, weil sie keine wahrheitsgetreuen Angaben über sich machen müssen (👉 siehe dazu auch unseren Artikel über Fake-Profile). Dadurch sinkt die Hemmschwelle, sexuell übergriffig zu werden, stark.
  • Belästigungen im Internet können außerdem – anders als im realen Leben – rund um die Uhr stattfinden, da wir das Handy fast immer bei uns haben.
  • Inhalte können zudem einem sehr großen Publikum zugänglich gemacht werden, z.B. indem ein intimes Foto in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht oder über Messenger einen verschickt wird. Diese Möglichkeit wird von Täter:innen oft als Drohung eingesetzt, wenn die Betroffenen beispielsweise nicht auf ihre Forderungen nach weiteren Nacktbildern eingehen (s. Sextortion).

Wo findet sexuelle Belästigung im Internet statt?

Überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich im Netz aufhalten kann es auch zu sexuellen Übergriffen kommen. Insbesondere erwachsene Täter:innen melden sich gezielt auf Plattformen an, die bei Minderjährigen beliebt sind. Zu nennen sind zum Beispiel:

Wie oft kommt sexuelle Belästigung im Internet vor?

Laut der aktuellen JIM-Studie erlebt fast jede:r dritte Jugendliche sexuelle Belästigung im Internet.

So sind etwa 23 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ungewollt auf pornografische Inhalte gestoßen. Das kann die eigene Sexualität beeinflussen. Denn nur wenige Jugendliche (33%) wissen, dass Pornos ausgedacht und gestellt – also unrealistisch sind, so das Ergebnis einer Befragung der Landesanstalt für Medien NRW. Die Studie zeigt auch, dass Kinder und Jugendliche sexuellen Inhalte nicht nur empfangen bzw. ihnen begegnen, sondern diese auch selbst verbreiten, und zwar oft ohne den/die Empfänger:in nach Zustimmung gefragt zu haben (37%). 

Betrachtet man die verschiedenen Formen sexueller Belästigung im Internet (Sexting, Sextortion, Cybergrooming, Upskirting, Dickpics, usw.), wird deutlich, wie hoch die Dunkelziffer bei sexueller Belästigung im Internet sein muss. Viele Jugendliche trauen sich zudem nicht über das Erlebte zu sprechen oder es zu melden, da sie sich schämen oder das Gefühl haben, selbst schuld zu sein. Und die Täter:innen können im Internet weitgehend anonym agieren. Wird ihr Account gemeldet oder blockiert, können sie sich einfach einen neuen erstellen.

So schützt Du Dich vor sexueller Belästigung im Internet

Erste-Hilfe-Tipps

⛔ In welchen Fällen solltest Du das Gespräch abbrechen?

  • Du fühlst Dich unwohl oder Dir kommt etwas seltsam vor. Vertraue Deinem Bauchgefühl.
  • Jemand fragt Dich nach Deinem Körper oder sexuellen Erfahrungen.
  • Jemand will wissen, ob Du allein bist oder Deine Eltern in der Nähe sind.
  • Jemand fordert Dich dazu auf, Deine Webcam anzuschalten.
  • Jemand will mit Dir in einen privaten Chat wechseln.
  • Jemand möchte Fotos oder Videos von Dir haben.
  • Jemand schickt Dir ungefragt Nacktfotos von sich selbst.
  • Jemand will Dich zu Dingen überreden, die Dich verunsichern oder die Du nicht tun willst.
  • Jemand drängt Dich dazu, persönliche Daten (z.B. Name, Adresse, Handynummer, E-Mail) herauszugeben.
  • Jemand will sich mit Dir treffen und lockt Dich mit Geld oder Geschenken.

✅ Was kannst Du noch tun?

  • Du bist nicht allein! Vertraue Dich jemandem an und rede über das, was Dir passiert ist. Das kann ein:e Freund:in sein, Deine Eltern, Deine Geschwister oder auch ein:e Lehrerin.
  • Du kannst nichts dafür! Sexuelle Belästigung ist leider weit verbreitet und kann jede:n treffen. Du bist nicht schuld daran, dass Dir das passiert ist.
  • Denk an Deine Privatsphäreeinstellungen! Um Dich selbst zu schützen, ist es wichtig, Deine Privatsphäreeinstellungen zu überprüfen. So kannst Du z.B. bestimmen, was Du über Dich verrätst (am besten möglichst wenig), wer mit Dir Kontakt aufnehmen kann (am besten nur Freund:innen) und ob Dir jemand ungefragt Dateien zuschicken darf (am besten nicht). Hier findest Du eine Leitfäden-Liste für Privatsphäreeinstellungen für verschiedenen Online-Angebote wie Instragram und TikTok.
  • Sichere Beweise! Dokumentiere die sexuellen Übergriffe, indem Du Screenshots von Chatverläufen machst.
  • Kenne Deine Rechte! Auch im Internet gelten Regeln. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besagt, dass niemand Dich bedrängen und zu etwas überreden darf, die Du nicht machen möchtest. Es handelt sich also um Straftaten, gegen die Du Dich rechtlich wehren kannst. Sexuelle Belästigung im Netz hat oft mit Nötigung zu tun.
  • Melde verstörende Inhalte und blockiere aufdringliche Kontakte! Bei den allermeisten Online-Angeboten gibt es Melde- und Blockierfunktionen. Nutze sie und schütze so Dich und andere vor sexueller Belästigung. Alternativ kannst Du auch direkt unser Meldeformular nutzen.
    Belästigung melden!
  • Hole Dir Hilfe! Solltest Du weitere Beratung und Unterstützung brauchen, kannst Du Dich an offiziellen Beratungsstellen wenden. Im Folgenden haben wir ein paar passende Beratungsstellen für Dich aufgelistet.

Hilfe bei sexueller Belästigung im Internet

Beratungsstellen für Jugendliche

Jugendliche helfen Jugendlichen

  • Online-Beratung auf Augenhöhe
  • Ehrenamtliche Berater:innen von Expert:innen ausgebildet
  • Einfach und kostenlos


Allein mit Deinen Problemen? Wir sind für Dich da!

  • Kinder- und Jugendtelefon (Mo-Sa, 116 111)
  • Samstags: Jugendliche beraten Jugendliche
  • Online-Beratung per Mail (jederzeit) oder Chat (Mo-Do, 14-18 Uhr)
  • Antwort innerhalb von 48 Stunden

www.nummergegenkummer.de

Hilfe bei sexueller Belästigung im Netz & Co.

  • Hilfe-Telefon: 0800 2255 530
    (Mo, Mi, Fr: 9-14 Uhr & Di, Do: 15-20 Uhr)
  • Oder lieber online? Kein Problem! Das Hilfe-Telefon berät auch hier vertraulich und datensicher
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www.hilfe-telefon-missbrauch.online


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